Laut dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm können Betriebsräte die Einführung eines Zeiterfassungssystems verlangen.

Dieses Urteil sorgt für Aufsehen: Wenn es der Betriebsrat verlangt, muss der Arbeitgeber eine elektronische Zeit-Erfassung einführen – und zwar für die gesamte Belegschaft.

Seit jeher sorgt das Thema Zeit-Erfassung in der Arbeitswelt für Konflikte: Wo die einen darin die ultimative Methode sehen, um die Ausbeutung der Arbeitnehmer zu stoppen, sehen andere darin das Ende von Vertrauen, Freiheit und Kreativität. Das aktuelle Urteil des LAG Hamm dürfte wohl den „Glaubenskrieg“ entscheiden: Gerade nämlich wurde von den dort ansässigen Richtern festgelegt, dass Betriebsräte vom Arbeitgeber verlangen dürfen, dass er ein elektronisches Zeiterfassungssystem für alle Mitarbeiter einführt

„Der Beschluss ist durchaus wegweisend und wird wohl in rechtlich erhebliche Auswirkungen für viele Unternehmen mit sich bringen, wenn das Bundesarbeitsgericht ihn bestätigt“, sagt Volker Görzel, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kölner Kanzlei HMS.Barthelmeß Görzel Rechtsanwälte.

Ohnehin haben die Freunde der Zeiterfassung derzeit Aufwind: Bereits vor zwei Jahren verlangte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Arbeitgeber alle Arbeitszeiten erfassen müssen. Eine gesetzliche Regelung dazu steht immernoch ausnoch aus. Görzel rechnet damit, dass das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Fall Mitte nächsten Jahres endgültig entscheidet.

Zu den Hintergründen des aktuellen Falls

Was war im konkreten Fall im Raum Minden geschehen? Der Betriebsrat und eine Klinik als Arbeitgeber hatten sich bei Verhandlungen um ein Arbeitszeitmodell nicht über die Einführung von Arbeitszeitkonten einigen können.

Kernfrage wurde, ob dem Betriebsrat ein sogenanntes Initiativrecht zur Einrichtung elektronischer Arbeitszeiterfassung zusteht. Konkret: Können die Arbeitnehmervertreter den Arbeitgeber dazu zwingen die elektronische Arbeitszeiterfassung einzuführen?

Der Streit ging von der Einigungsstelle an  das Arbeitsgericht Minden und schließlich vors Landesarbeitsgericht Hamm (Aktenzeichen 7 TaBV 79/20) und endete mit diesem Beschluss zugunsten des Betriebsrats.

Viele der  großen Konzerne hatten bereits das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von vor zwei Jahren zum Anlass genommen, von sich aus um Zeiterfassungs-Systeme zu installieren.

„Doch auf viele Unternehmen des Mittelstandes trifft das noch nicht zu“,so Rechtsanwalt Volker Görzel.

„Wenngleich viele der durch uns vertretenen Unternehmen jetzt gemeinsam mit uns an entsprechenden Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeiterfassung für die ganze Belegschaft arbeiten, alleine schon, um nicht in Konflikt mit dem Arbeitsschutzgesetzen wegen möglicher Verstöße gegen die vorgeschriebene Ruhezeiten von elf Stunden zwischen zwei Arbeitsschichten zu geraten.“, so Görzel weiter

Ebenso sind die Obergrenze von zehn Stunden Arbeitszeit pro Tag und die einzuhaltenden Pausen festgelegt. Verstöße gegen diese Vorschriften können hohe Geldbußen nach sich ziehen, wenn Unternehmen dabei erwischt werden.

Arbeitsschutzbehörden verhängen scharfe Geldstrafen bei Missachtung

Die zuständigen Arbeitsschutzbehörden gehen bisweilen auch ohne konkreten Anlass wie durch Hinweise aus der Belegschaft vor: So erzählt Rechtsanwalt Görzel von einem Mandanten: Ein vollkommen überraschtes Großunternehmen, dem die Behörde ohne erkennbaren Anlass kürzlich einen Fragebogen mit 45 Fragen hierzu schickte – mit einer Antwortfrist von vier Wochen.

„Mit derartigen Geschehnisse müssen Unternehmen in Zukunft immer öfter rechnen. Umso wichtiger ist es, sich rechtzeitig um die entsprechenden Vorkehrungen zu bemühen.“

Arbeitsgericht: Geduldete Überstunden sind zu bezahlen

Für Aufregung sorgte Ende vergangenen Jahres bereits ein Urteil des Arbeitsgerichts Emden, das ebenfalls beim BAG gelandet ist (Aktenzeichen 5AZR 359/21). Dabei entschieden die Arbeitsrichter zugunsten einer Angestellten, die 20.000 Euro für geleistete Überstunden von ihrem Arbeitgeber verlangte. Die Arbeitsrichter sprachen ihr diese Summe zur allgemeinen Überraschung der Arbeitsrechtler  auch zu – obwohl sie nur von ihr selbst im elektronischen Zeiterfassungssystem dokumentiert, aber nicht von den Vorgesetzten angeordnet worden waren.

Für die Angestellte galt Vertrauensarbeitszeit und, so urteilten die Richter, die eingetragenen Überstunden hätten die Vorgesetzten ja im firmeneigenen System erkennen können. Somit habe der Arbeitgeber sie geduldet. Das reichte den Richtern aus und sie verwiesen auf den EuGH mit seinem Urteil vor zwei Jahren, wonach die Unternehmen ja ohnehin zur Erfassung aller Arbeitsstunden verpflichtet seien.

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