Freistellung und Urlaubsanspruch: Was gilt bei Kündigungen?

Das Landesarbeitsgericht Sachsen entschied, dass eine Freistellung von der Arbeitspflicht durch den Arbeitgeber nicht automatisch den Urlaubsanspruch eines gekündigten Arbeitnehmers erfüllt. Diese Entscheidung ist sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer wichtig, da sie Klarheit darüber schafft, unter welchen Bedingungen ein Urlaubsanspruch durch Freistellung erfüllt werden kann und wann dies nicht der Fall ist. Das Urteil wirft zudem Licht auf die Anforderungen, die an den Nachweis von Arbeitsunfähigkeit gestellt werden.

Der Fall

Eine Arbeitnehmerin klagte gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber auf die Abgeltung von 16 Resturlaubstagen. Die Klägerin war als Datenerfasserin angestellt und hatte laut Arbeitsvertrag Anspruch auf 25 Tage Erholungsurlaub pro Jahr. Nach ihrer Kündigung durch den Arbeitgeber zum 31. Juli 2021 forderte die Klägerin die Abgeltung ihrer verbleibenden Urlaubstage. Der Arbeitgeber argumentierte, dass der Urlaubsanspruch bereits durch die Freistellung mit Anrechnung der Urlaubstage erfüllt sei. Da die Klägerin im Kündigungszeitraum jedoch krankgeschrieben war, sah das Arbeitsgericht ihren Urlaubsanspruch als nicht erfüllt an und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung. Der Arbeitgeber legte Berufung ein und zweifelte die Gültigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägerin an, da sie während der Krankschreibung in der Öffentlichkeit gesehen worden sei.

Das entschied das Gericht

Das Landesarbeitsgericht Sachsen bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts und verurteilte den Arbeitgeber zur Abgeltung der Resturlaubstage in Höhe von 1.403,08 € brutto. Die Richter entschieden, dass die Freistellung im Kündigungsschreiben nicht zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs führt, da die Klägerin aufgrund ihrer Krankschreibung gar keine Arbeitspflicht mehr hatte. Zudem wies das Gericht darauf hin, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich einen hohen Beweiswert besitzt und nur durch konkrete Umstände, die ernsthafte Zweifel an der Krankheit des Arbeitnehmers aufwerfen, erschüttert werden kann. Der bloße Hinweis des Arbeitgebers, dass die Klägerin während ihrer Krankschreibung an einer Feier teilnahm oder in der Stadt gesehen wurde, reichte nach Ansicht des Gerichts nicht aus, um den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigungen zu mindern.

Das gilt für die Praxis

Dieses Urteil verdeutlicht für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen, dass eine Freistellung zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs nur dann wirksam ist, wenn der Arbeitnehmer während des Freistellungszeitraums auch tatsächlich arbeitsfähig ist. Arbeitnehmer, die während der Kündigungsfrist arbeitsunfähig erkranken, behalten ihren Urlaubsanspruch, auch wenn sie bereits freigestellt wurden. Auch bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeitenden ist Vorsicht geboten: Nur durch klar belegbare Tatsachen kann der hohe Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angegriffen werden.


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