Geklagt hatte der Springer Verlag, ein Medienkonzern welcher seine redaktionellen Inhalte im Internet kostenfrei zur Verfügung stellt. Finanziert wird dieses Angebot unter anderem durch die Platzierung von Werbung anderer Unternehmen.
Mit dem Argument, dass Verlage ihre in der Regel kostenfreien Internetangebote ohne Werbeeinnahmen nicht finanzieren könnten hatte der Konzern gegen den Anbieter des Werbeblockers „Adblock Plus“ geklagt. Die Software des Betreibers ist auf circa acht Millionen Geräten in Deutschland, und weltweit, nach Angaben des Anbieters Eyeo, auf etwa 100 Millionen Geräten installiert.
Für Nutzer ist „Adblock Plus“ kostenfrei.
Werbeblocker wie „Adblock Plus“ sind Programme, die Reklame im Internet unterdrücken und somit das Surfen im Internet für den Nutzer angenehmer gestalten. Für die Seiteninhaber ist dies hingegen unter Umständen ein Milliardenverlust.
Die Beklagte bietet Unternehmen jedoch die Möglichkeit, ihre Werbung von dieser Blockade durch Aufnahme in eine sogenannte Whitelist ausnehmen zu lassen. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Werbung die von der Beklagten gestellten Anforderungen an eine „akzeptable Werbung“ erfüllt und die Unternehmen die Beklagte am Umsatz beteiligen. Bei kleineren und mittleren Unternehmen verlangt die Beklagte für die Ausnahme von der automatischen Blockade nach eigenen Angaben keine Umsatzbeteiligung.
Die Klägerin hält den Vertrieb des Werbeblockers durch die Beklagte für wettbewerbswidrig. Sie hat beantragt, die Beklagte und ihre GeschäftsführerDer GmbH-Geschäftsführer ist gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft und dazu befugt, Geschäfte eigenständig und im Namen des Unternehmens zu tätigen. Mehr zu verurteilen, es zu unterlassen, ein Computerprogramm anzubieten, das Werbeinhalte auf näher bezeichneten Webseiten unterdrückt. Hilfsweise hat sie das Verbot beantragt, ein solches Computerprogramm anzubieten, wenn und soweit Werbung nur nach von der Beklagten vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts der Klägerin nicht unterdrückt wird.
Vor dem I. Zivilsenat führte Claas-Hendrik Soehring, Leiter Medienrecht bei Axel Springer dazu unter anderem aus: „Niemand hat das Recht, eine Software zu betreiben, die die Integrität von Onlinemedien und deren Finanzierung gezielt zerstört. Nur der Verleger darf entscheiden, welche Inhalte und Anzeigen unter seinen Titeln publiziert werden. Werbeblocker gefährden die Qualität von Informationsangeboten und verletzen damit auch die Interessen der Allgemeinheit.“
Der I. Zivilsenat teilte diese Ansicht nicht. Ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb liege nicht vor. Das Blocken von Werbung sei auch grundsätzlich rechtmäßig. Eine Marktbehinderung liege nicht vor, da keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorlägen dass Werbeblocker nicht das Geschäftsmodell zur Bereitstellung kostenloser Inhalte im Netz zerstöre.
Das Angebot des Werbeblockers stellt keine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG dar. Eine Verdrängungsabsicht liegt nicht vor. Die Beklagte verfolgt in erster Linie die Beförderung ihres eigenen Wettbewerbs. Sie erzielt Einnahmen, indem sie gegen Entgelt die Möglichkeit der Freischaltung von Werbung durch die Aufnahme in die Whitelist eröffnet. Das Geschäftsmodell der Beklagten setzt demnach die Funktionsfähigkeit der Internetseiten der Klägerin voraus.
Die Beklagte Software stellt auch – anders als das Berufungsgericht angenommen hat – keine aggressive geschäftliche Handlung gemäß § 4a UWG gegenüber Unternehmen dar, die an der Schaltung von Werbung auf den Internetseiten der Klägerin interessiert sind. Es fehlt an einer unzulässigen Beeinflussung dieser Marktteilnehmer, weil die Beklagte eine ihr durch das technische Mittel des Werbeblockers etwaig zukommende Machtposition jedenfalls nicht in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit der Marktteilnehmer zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.
Letztlich komme es auf eine Abwägung der Grundrechte an, erläuterte der Zivilsenat. Auf Seiten Axel Springers stünden die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit und die Gewerbefreiheit. Letztere sei allerdings auch bei Eyeo gefährdet. Als drittes seien die Rechte der Nutzer zu berücksichtigen, denen Werbung angezeigt werde. Diese seien allerdings nicht zu hoch zu bewerten. „Es gibt kein grundrechtlichen Schutz, von aufdringlicher Werbung verschont zu werden“, betonte der Senat.
BGH Urteil vom 19. April 2018 – I ZR 154/16
Pressemitteilung des BGH v. 20.04.2018