HMS.Barthelmeß Görzel siegt in den Kündigungsschutzprozessen von TUIfly-Mitarbeitern

Die Pandemie hat vor allem der Reisebranche heftig zugesetzt. Deshalb nahm TUIfly im letzten Jahr Massenentlassungen vor und kürzte die eigene Flugflotte auf 22 Flugzeuge ein. Wir vertreten seitdem eine große Anzahl an Mitarbeitern, die gegen ihre Kündigung eine Kündigungsschutzklage erhoben haben.

Nun konnten wir vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf einen wichtigen Sieg erringen, der auch Aufschluss über den Sachvortrag der Gegenseite gibt.

Das Gericht entschied, dass die  Entlassung eines Piloten durch TUIfly nicht rechtens war und dieser einen Weiterbeschäftigungsanspruch (bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens) hat.  Dem Piloten war im März 2020 außerordentlich gekündigt worden mit einer Auslauffrist zum 31.12.2021.

Begründung des Gerichts

Der klagende Pilot war aufgrund seiner langen Beschäftigung von 15 Jahren aufgrund des Manteltarifvertrags ordentlich unkündbar. Die Gegenseite argumentierte zwar, dass durch den Betriebsübergang dieser Sonderkündigungsschutz suspendiert bzw. aufgehoben wäre, dieser Ansicht folgte das Gericht allerdings nicht und ließ nach Auslegung der einschlägigen Regelung im Tarifvertrag die Gegenseite mit Antrag abblitzen.

Daher wäre bei unserem Mandanten nur eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB möglich gewesen, die als Kündigungsgrund nur „einen wichtigen Grund“ akzeptiert. Der Tarifvertrag selbst definierte den Betriebsübergang zwar als wichtigen Grund, der die Arbeitgeberin zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, jedoch stellt das Gericht fest, dass absolute Kündigungsgründe im Rahmen des § 626 BGB nicht zulässig sind. § 626 I BGB sieht eine Beurteilung des Einzelfalls vor. Das Gericht sah sich daher nicht an die Regelung aus dem Tarifvertrag gebunden.

Damit muss nach den allgemeinen Regeln bestimmt werden, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vorliegt. Eine außerordentlich Kündigung käme nur in Betracht, wenn eine ordentliche Kündigung nicht möglich ist und der Arbeitgeber dadurch jahrelang verpflichtet ist, Lohnzahlungen zu tätigen, für die er keinen Gegenwert erhält. Eine außerordentliche Kündigung bedarf daher vorab einer ausführlichen Analyse zu den Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten des betroffenen Mitarbeiters. Nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber muss hier das Gegenteil beweisen.

Der Arbeitgeber muss ausführlich und glaubhaft darlegen, dass es keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gibt. Notfalls muss er den Arbeitnehmer auch unter geänderten Bedingungen beschäftigen oder umschulen. Auch der Umstand, dass durch Fluktuation immer wieder Stellen freiwerden, muss mit einkalkuliert werden.

Die Darstellungen von TUIfly konnten das Gericht nicht überzeugen.

Da die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist nur eine ultima ratio sein kann, ist es unverständlich, dass ordentlich kündbare Mitarbeiter bei Tufly verbleiben, unserem Mandanten aber gekündigt wurde.

Zudem ist das Gericht auch von den betriebswirtschaftlichen Darlegungen von TUIfly nicht überzeugt. Die Beklagte fügte an, dass sie aufgrund des rückgehenden Geschäfts in den Wintermonaten auch nur weniger Mitarbeiter einsetzen könne  und daher die Kabinenbelegschaft auf 340 Personen kürzen muss. Dieser Behauptung fehlte aber ein ausführlicher Sachvortrag, zumal ab dem Sommer 2022 aufgrund der Urlaubssaison wieder ein Mehrbedarf an Personal vorliegen dürfte.

Ausschlaggebend war auch der Zeitpunkt der Entlassungen. Der Sozialplan sah eine „stufenweise Entlassung“ bis Sommer 2022 vor. Jedoch waren die Entlassungen alle mit einer Auslauffrist für Ende 2021 ausgesprochen worden. Als besonders schutzwürdigen Mitarbeiter hätte man unseren Mandanten aber erst als letztes und zu einem späteren Termin kündigen dürfen.

Urteil zugunsten unseres Klägers

Insgesamt ist die Beklagte nicht ausreichend ihrer Beweislastpflicht nachgekommen. Die dürftigen Begründungen, die gegeben wurden, konnten das Gericht nicht überzeugen.

Damit ist das Arbeitsverhältnis des Piloten nicht zum 31.12.2021 beendet, er hat einen Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum Ende des Kündigungsschutzverfahrens und außerdem einen Anspruch auf Ausstellung eines angemessenen Zwischenzeugnisses.

Hier können Sie hoffentlich bald das Urteil im Volltext finden: 5 Ca 1874/21

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