Ist ein Arbeitgeber verpflichtet, Urlaub auch ohne Antrag oder Wunsch des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr zu gewähren und ihn somit dem Arbeitnehmer aufzuzwingen? Der Europaische Gerichtshof (EuGH) hat nun arbeitnehmerfreundlich entschieden: Hätte ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wahrnehmen können und verzichtet er aus freien Stücken bewusst darauf, nachdem er vom Arbeitgeber in die Lage versetzt wurde, den Urlaub wahrzunehmen, bietet die EU-Richtlinie laut Urteil keinen Anspruch auf Zahlung einer finanziellen Vergütung. Der nicht genommene Jahresurlaub verfällt also mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ein Abgeltungsanspruch besteht nicht. Die Regelung gilt sowohl für öffentliche als auch private Arbeitgeber.
ABER:
Die Tatsache, dass der Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder im Bezugszeitraum keinen Urlaubsantrag gestellt hat, kann nicht automatisch bedeuten, dass er diese Urlaubstage schon deshalb verliert, so die EuGH-Richter. In diesen Fällen kann ein Anspruch auf eine finanzielle Vergütung bestehen.
Beweispflicht: Arbeitgeber müssen Mitarbeiter über Urlaubsverfall informieren
Der bezahlte (Mindest-)Jahresurlaub ist ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der EU. Daher muss der Arbeitgeber vor Gericht beweisen, dass er den Arbeitnehmer in die Lage versetzt hat, den Jahresurlaub rechtzeitig zu nehmen. Er trägt somit eine besondere Verantwortung dafür, dass der Arbeitnehmer seinen ihm zustehenden Jahresurlaub nimmt. Die nationalen Gerichte werden von nun an also prüfen: Hat der Arbeitgeber geeignete und konkrete organisatorische Maßnahmen ergriffen, um den Arbeitnehmern ihren bezahlten Jahresurlaub zu ermöglichen?
Keine Anhäufung von Urlaub durch Arbeitnehmer und kein Urlaubszwang
Das Urteil führt jedoch nicht zu der Pflicht, den Mitarbeiter zum Urlaub zu zwingen, beziehungsweise dessen Urlaub einseitig festzulegen. Andersherum müsse laut EuGH darauf geachtet werden, dass Arbeitnehmer nicht bewusst Mindesturlaubstage alleine deshalb ansammeln, um sich diese bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vergüten zu lassen.
BAG-Urteil bleibt abzuwarten
Finale Entscheidungen zu aktuellen Fällen wird das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Einklang mit der Entscheidung des EuGH treffen. Dabei wird sich auch zeigen, wie das Gericht mit weiteren Fragen umgehen wird, z.B. zum Umfang der Informationspflicht des Arbeitgebers oder ab wann man davon ausgehen kann, dass die Ausübung des Urlaubsanspruchs vom Arbeitgeber nicht mehr ermöglicht wurde.
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