Fristlose Kündigung wegen Drogenverdacht im Betriebsrat

Eine Verdachtskündigung stellt eine einschneidende arbeitsrechtliche Maßnahme dar, die nicht selten für juristische Auseinandersetzungen sorgt. Doch wie weit reicht das Recht des Arbeitgebers, wenn der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht – insbesondere bei geschützten Personengruppen wie Betriebsratsmitgliedern? Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat in einem aktuellen Fall hierzu Stellung genommen.

Der Fall: Verdachtskündigung eines Betriebsrats wegen mutmaßlichen Kokainkonsums

Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied eines Logistikunternehmens geriet unter Verdacht, während der Arbeitszeit Kokain konsumiert zu haben. Der Vorfall ereignete sich 2022, als ein anderes Betriebsratsmitglied beobachtete, wie der Beschuldigte in den Betriebsräumen weißes Pulver durch ein Röhrchen in die Nase zog. Auf Nachfrage behauptete der Verdächtige zunächst, es handle sich um „nichts Illegales“. Später erklärte er, es sei lediglich Schnupftabak mit Traubenzucker gewesen.

Der Arbeitgeber forderte den Mitarbeiter auf, einen Drogentest zu machen, um die Vorwürfe zu entkräften. Dies lehnte der Betriebsrat ab. Infolge dessen sprach der Arbeitgeber mit Zustimmung der restlichen Betriebsratsmitglieder die fristlose Kündigung aus. Der Gekündigte erhob daraufhin Klage und machte geltend, weder illegale Substanzen konsumiert zu haben noch verpflichtet gewesen zu sein, einem Drogentest zuzustimmen. Zudem argumentierte er, dass der Arbeitgeber vor der Kündigung die in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehenen Interventionsstufen wie Fürsorgegespräche hätte ausschöpfen müssen.

Das entschied das Gericht: Rechtmäßigkeit der Verdachtskündigung

Das LAG Niedersachsen erklärte die fristlose Verdachtskündigung für rechtmäßig. Nach Ansicht des Gerichts begründete der Konsum von Kokain im Betriebsratsbüro einen schwerwiegenden Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten, der einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB darstelle. Dies gelte auch für Betriebsratsmitglieder, deren Kündigung nach § 15 Abs. 1 KSchG nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig ist.

Entscheidend war, dass die Umstände einen dringenden Verdacht einer schweren Pflichtverletzung nahelegten. Das Gericht wies darauf hin, dass die Erklärungen des Betriebsrats widersprüchlich waren und er trotz der Möglichkeit eines Drogentests nicht zur Aufklärung beigetragen habe. Die Verweigerung des Tests habe den Verdacht bestärkt. Laut Gericht hätte der Mitarbeiter mit einem einfachen Drogentest den Verdacht entkräften können.

Darüber hinaus stellte das LAG klar, dass die in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehenen Interventionsstufen nicht greifen mussten, da es sich um einen schwerwiegenden Verdacht handelte, der ein sofortiges Handeln des Arbeitgebers erforderlich machte. Auch die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats wurde vom Gericht bestätigt.

Das gilt für die Praxis

Das Urteil des LAG Niedersachsen zeigt, dass auch Betriebsratsmitglieder nicht vor einer fristlosen Kündigung gefeit sind, wenn ein dringender Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht. Wichtige Aspekte, die Arbeitgeber in ähnlichen Fällen beachten sollten, sind:

  1. Dringender Verdacht als Grundlage: Eine Verdachtskündigung setzt voraus, dass der Verdacht auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung durch konkrete und nachvollziehbare Indizien begründet ist. Widersprüchliche Aussagen oder eine Verweigerung der Mitwirkung bei der Aufklärung können den Verdacht stärken.
  2. Erforderlichkeit der Anhörung: Vor der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist die Zustimmung des Betriebsratsgremiums einzuholen. Hierbei ist auf eine ordnungsgemäße Anhörung zu achten.
  3. Keine Pflicht zur Anwendung von Interventionsstufen bei schwerwiegenden Fällen: Wenn der Verdacht einer gravierenden Pflichtverletzung besteht, müssen Fürsorge- oder Interventionsgespräche nicht zwingend vor der Kündigung erfolgen.

Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie bei Verdachtskündigungen sorgfältig vorgehen und alle formalen Anforderungen einhalten müssen. Für Arbeitnehmer und Betriebsratsmitglieder wird deutlich, dass der Sonderkündigungsschutz nicht unbegrenzt gilt. Ein kooperatives Verhalten bei der Aufklärung von Verdachtsmomenten kann entscheidend sein, um arbeitsrechtliche Konsequenzen abzuwenden.


Haben Sie ein rechtliches Problem oder eine Frage? Sprechen Sie uns an!

Vereinbaren Sie einen Beratungstermin mit einem Rechtsanwalt aus unserem erfahrenen Team aus Fachanwälten für Arbeitsrecht.


Beitrag teilen