Gehaltsanspruch nach Kündigung und Freistellung: Urteil des BAG

Am 24. Februar 2025 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine wichtige Entscheidung getroffen, die für Arbeitnehmer und Arbeitgeber von großer Bedeutung ist. Es ging um die Frage, ob ein Arbeitgeber einem freigestellten, gekündigten Arbeitnehmer das Gehalt verweigern darf, weil dieser sich nicht aktiv um eine neue Anstellung bemüht hat. Das BAG stellte klar: Der Arbeitgeber darf das Gehalt nicht mit dieser Begründung einstellen.

Der Fall: Kündigung, Freistellung und Gehaltsverweigerung

Im zugrunde liegenden Fall war ein Senior Consultant von seinem Arbeitgeber gekündigt worden und für die verbleibende Zeit der Kündigungsfrist von der Arbeit freigestellt. Der Arbeitgeber hatte ihm während der Freistellungsphase insgesamt 43 Stellenangebote aus verschiedenen Internetportalen geschickt und den Mitarbeiter gedrängt, sich zu bewerben. Der Mitarbeiter reagierte mit sieben Bewerbungen – allerdings erst kurz vor Ende der Kündigungsfrist.

Der Arbeitgeber verweigerte daraufhin die Zahlung des letzten Monatsgehalts in Höhe von 6.440 EUR brutto. Der Consultant sah sich gezwungen, gegen die Kündigung und die Gehaltsverweigerung zu klagen. In mehreren Instanzen hatte er Erfolg und erlangte schließlich auch vor dem BAG Recht.

Die Entscheidung des BAG: Kein Anspruch auf vorzeitige Bewerbung

Das BAG stützte sich auf § 615 BGB, wonach ein Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf sein Gehalt hat, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht annimmt – wie es im Fall einer Freistellung geschieht. Das Gericht stellte klar, dass ein Arbeitgeber nach der einseitigen Freistellung des Arbeitnehmers im Annahmeverzug ist, d.h. der Arbeitnehmer ist bereit, zu arbeiten, aber der Arbeitgeber nimmt diese Arbeitsleistung nicht an. In einem solchen Fall bleibt der Gehaltsanspruch des Arbeitnehmers bestehen.

Besonders wichtig: Das BAG entschied, dass der Arbeitnehmer in dieser Zeit nicht verpflichtet ist, sich um eine neue Anstellung zu bemühen, um seinen Gehaltsanspruch zu wahren. Der Arbeitgeber kann demnach nicht einfach die Gehaltszahlung verweigern, weil der Mitarbeiter sich nicht vorzeitig auf Stellenangebote beworben hat.

Keine „böswillige“ Unterlassung von Bewerbungen

Eine der zentralen Fragen war, ob das Unterlassen der Bewerbung als „böswillige“ Handlung im Sinne des § 615 BGB gewertet werden könnte. Der Arbeitgeber hatte argumentiert, der Arbeitnehmer habe böswillig keine ernsthaften Bemühungen unternommen, um sich um eine neue Stelle zu kümmern. Das BAG stellte jedoch klar, dass das Verhalten des Arbeitnehmers keine böswillige Unterlassung darstellt, da es keine gesetzliche Pflicht gibt, sich vor Ablauf der Kündigungsfrist um eine neue Anstellung zu bemühen.

Das Gericht stellte zudem fest, dass der Arbeitgeber auch keine Unzumutbarkeit geltend gemacht hatte. Eine solche Unzumutbarkeit könnte die Entgeltpflicht des Arbeitgebers theoretisch entfallen lassen, aber im vorliegenden Fall war dies nicht der Fall.

Was bedeutet das Urteil für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Das Urteil des BAG bringt einige wichtige Klarstellungen mit sich:

  1. Freistellung führt zu Annahmeverzug: Wenn ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter während der Kündigungsfrist freistellt, befindet sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer weiterhin Anspruch auf sein Gehalt hat, auch wenn er nicht arbeitet.

  2. Keine Pflicht zur Bewerbung während der Freistellung: Ein Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, sich während einer Freistellung um eine neue Anstellung zu bemühen. Der Arbeitgeber kann nicht verlangen, dass der Mitarbeiter vor Ablauf der Kündigungsfrist ein neues Arbeitsverhältnis eingeht, um das Gehalt zu erhalten.

  3. Gehaltszahlung bleibt bestehen: Auch wenn der Arbeitnehmer keine neuen Stellenangebote annimmt, bleibt der Gehaltsanspruch bis zum Ende der Kündigungsfrist bestehen. Die Gehaltszahlung kann nur dann entfallen, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass es für ihn unzumutbar wäre, den Arbeitnehmer bis zum Ende der Kündigungsfrist zu beschäftigen.

Fazit: Klarheit für die Praxis

Für Arbeitnehmer bedeutet das Urteil des BAG eine deutliche Stärkung ihrer Rechte. Arbeitnehmer haben während einer Freistellung weiterhin Anspruch auf ihr Gehalt, auch wenn sie keine neuen Jobangebote annehmen. Arbeitgeber können die Gehaltszahlung nicht einfach einstellen, nur weil der Mitarbeiter sich nicht vorzeitig um eine neue Stelle bemüht. Das Urteil schafft mehr Klarheit und gibt den Arbeitnehmern die nötige Sicherheit, dass ihre Entgeltansprüche auch während der Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist gewahrt bleiben.

Arbeitgeber sollten in Zukunft genau darauf achten, wie sie ihre Mitarbeiter freistellen und welche Erwartungen sie an deren Bewerbungshandlungen stellen. Das Urteil zeigt, dass die rechtlichen Grundlagen des Arbeitsverhältnisses im Falle einer Kündigung und Freistellung eindeutig zugunsten der Arbeitnehmer ausfallen können. BAG, Urteil v. 12.2.2025, 5 AZR 127/24

Haben Sie ein rechtliches Problem oder eine Frage? Sprechen Sie uns an!

Vereinbaren Sie einen Beratungstermin mit einem Rechtsanwalt aus unserem erfahrenen Team aus Fachanwälten für Arbeitsrecht.


Beitrag teilen