Bis vor wenigen Jahren schien es selbstverständlich, dass Arbeitnehmer einen Urlaubsantrag einreichen müssen, damit ihr Urlaub zum Jahresende nicht verfällt.

Aufgrund einiger Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), gab es zuletzt jedoch einige von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) abweichende Urteile. Das LAG Köln vertritt beispielsweise in seinem Urteil vom 22.04.2016 (Az.: 4 Sa 1095/15) die Auffassung, der Arbeitgeber stehe in der Pflicht, seinen Arbeitnehmern auch ohne Antrag den Urlaub zu gewähren. Die Folge: Auch ohne Urlaubsantrag kann der Schadenersatz- oder Abgeltungsanspruch für einen Urlaub über mehrere Jahre erhalten bleiben.

Ist es die Pflicht des Arbeitgebers, für Urlaub zu sorgen?

Dies hat dazu geführt, dass das BAG nun vom EuGH geklärt wissen will, ob ein Arbeitgeber verpflichtet ist, Urlaub auch ohne Antrag oder Wunsch des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr zu gewähren und ihn somit dem Arbeitnehmer aufzuzwingen. Das deutsche Urlaubsrecht sieht laut BAG eine solche Pflicht nicht vor. Die Frage ist, ob das Europarecht dieser Praxis entgegensteht.

Finanzielle Vergütung bei nicht genommenem Jahresurlaub

Aus Sicht des BAG bietet die EU-Richtlinie keinen Anspruch auf Zahlung einer finanziellen Vergütung, wenn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht genommener bezahlter Jahresurlaub besteht, sofern ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub hätte wahrnehmen können und aus freien Stücken bewusst darauf verzichtet. Der nicht genommene Jahresurlaub verfällt also laut BAG mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ein Abgeltungsanspruch besteht nicht.

Mit einer Ausnahme: Der Anspruch auf bezahlten (Mindest-)Jahresurlaub Anspruch besteht laut BAG auch nach Ablauf des Bezugs- oder Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage gewesen ist, seinen Urlaub zu nehmen. In diesen Fällen besteht also ein Anspruch auf eine finanzielle Vergütung.

Informationspflicht über Urlaubsverfall?

Wenn der EuGH die Auffassung des BAG teilt, könnte dies in der Folge bedeuten, dass der Arbeitgeber eine besondere Verantwortung dafür trägt, dass die Arbeitnehmer ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrnehmen. Der Arbeitgeber könnte somit verpflichtet sein, seine Mitarbeiter rechtzeitig und klar zu informieren, dass nicht genommener Urlaub verfallen und am Ende des Arbeitsverhältnisses nicht abgegolten werden kann.

Dies muss jedoch nicht zwingend zu der Pflicht führen, den Mitarbeiter zum Urlaub zu zwingen, beziehungsweise dessen Urlaub einseitig festzulegen. Allerdings könnte es für den Arbeitgeber bedeuten, dass er darauf achten muss, dass seine Arbeitnehmer nicht bewusst Mindesturlaubstage alleine deshalb ansammeln, um sich diese bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vergüten zu lassen.

Offene Entscheidung des EuGH

Die Entscheidung des EuGH wird von großer Bedeutung für die Praxis sein. Eine Pflicht zur Urlaubsfestlegung könnte nämlich zur Folge haben, dass Unternehmen sich aktiv darum bemühen müssen, dass alle Mitarbeiter ihren Urlaub rechtzeitig nehmen, um Schadensersatzansprüche zu vermeiden.

Es bleibt also abzuwarten, welche Sichtweise der EuGH vertreten und welche Schlussfolgerungen das BAG daraus ziehen wird.

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